Samstag, 8. Juni 2013

"Sneak-Preview"-Wanderung auf der Via Mattiacorum

Seit mehr als eineinhalb Jahren bin ich nun schon Mitglied im Rhein-Taunus-Klub, dem örtlichen Wanderverein. Damals bin ich der Aufforderung Manuel Andracks in dessen Buch "Das neue Wandern" gefolgt, Mitglied im Verein zu werden, selbst wenn man sich nicht aktiv dort beteiligen möchte. Immerhin kümmern sich die Vereine ehrenamtlich um die Instandhaltung des Wegenetzes. Bis jetzt habe ich mehr oder weniger pünktlich meinen Jahresbeitrag gezahlt und hatte sonst mit dem Verein eigentlich nichts zu tun. Doch das änderte sich im Mai. In der monatlichen Vereinsmitteilung ist mir eine neu ins Programm genommene Wanderung aufgefallen, auf der auf einem neuen, noch einzurichtenden, Premiumwanderweg von Idstein nach Wiesbaden gewandert werden sollte. Da ich nicht ganz allein meine Vereinspremiere angehen wollte, habe ich zwei Freunde gefragt, und die waren auch verrückt genug, begeistert zuzusagen.

Am 26. Mai ging es dann los. Die Wanderung war eine Veranstaltung des Naturparks Rhein-Taunus, der diesen Wanderweg anlegen soll. Zusätzlich sollen noch weitere zertifizierte Premiumwege entstehen, die die UNESCO-Weltkulturerbestätten in unserer Region miteinander verbinden sollen (Limes, Oberes Mittelrheintal und Wiesbaden, so die Wiesbadener Bewerbung denn erfolgreich ist). Dieser Weg mit dem Namen Via Mattiacorum beschäftigt sich mit den Spuren der Römer in unserer Region. Die Via Mattiacorum war wohl so etwas wie der Vorläufer der Hühnerstraße, also der B417, sie verband also Wiesbaden (Aquae Mattiacae) mit den Kastellen am Limes. Entsprechend war der Wanderführer der Geschäftsführer des Naturparks, Andreas Wennemann. Das Ganze fand in Kooperation mit dem Rhein-Taunus-Klub statt, damit Herr Wennemann nicht allein durch den Regen stapfen mußte. Denn um dieses Thema schon abzuhandeln: ja, es hat geregnet, und zwar nicht wenig. Es hat vom Verlassen meiner  Wohnung bis zum Wiedereintreffen am Abend keine Sekunde nicht geregnet. Unterwegs war es mal mehr, mal weniger, aber ein durchgehender, ununterbrochener Regen. Entsprechend fand sich nur eine relativ kleine, in Regenjacken und Capes ausgerüstete Gruppe für diese Wanderung zusammen.

Um 12 Uhr war Abmarsch am Idsteiner Bahnhof. Nachdem man zunächst mal an Burger King und McDonald's vorbeigequält wurde und dann noch die A3 unterqueren mußte, ging es ins offene Feld. Hier haben wir bis zum Waldrand schon eine Abweichung von der eigentlich geplanten Trasse genommen, um nicht sofort klatschnasse Füße auf dem geplanten Wiesenweg zu bekommen. Am Waldrand angekommen, eine erste kleine Pause. Herr Wennemann erläutert den erwähnten Umweg und die Aussicht. Tief unter uns, im Grau der Wolken, liegt Idstein. An einem Schönwettertag wäre dies der Punkt mit der ersten schönen Aussicht. Auf Idstein mit Hexenturm, Altstadt und Neubau- und Gewerbegebieten. Auf den Taunus mit Feldberg (konnten wir natürlich nicht sehen). Hinein in den Goldenen Grund. Tatsächlich sind von dieser Position aus die A3 und die ICE-Strecke Frankfurt-Köln im Tal verschwunden, so daß man sie nicht mehr sehen, wohl aber hören kann.

Dann hinein in ein kleines Waldstück, wo es über einen kleinen unbefestigten Pfad ging, am Ende ein steiles Stück bergab, wo der Pfad eigentlich nicht mehr auszumachen war, wir also querfeldein über die Wurzeln und den Matsch stapften. Am Ende des Waldstücks angekommen, macht man eine 180°-Wendung und läuft am Rande des Waldstücks an einer hübschen Talwiese entlang, bis man in Oberauroff, einem Ortsteil Idsteins ankommt. Die Straße wird mit Ampel überquert und die Durchquerung des Dorfes geht schnell. Am anderen Ende des Dorfes geht es entlang eines Bachs wieder durch ein kleines Tal am Waldrand. Der Weg am Tag unserer Wanderung natürlich hauptsächlich Matsch. Aber bei schönem Wetter vermutlich ein ganz hübscher Weg. Dann biegt man links ab und ist in Ehrenbach, einem weiteren Ortsteil Idsteins. Fast jedes Haus ein altes Fachwerkhaus und eine winzige, alte Fachwerkkapelle. Hübsches Dorf.

Über Felder geht es aus Ehrenbach wieder hinaus, aufwärts. Wie ich das mitbekommen habe, gab es hier wohl auch wieder einen kleinen Umweg, eine kleine Abweichung von der eigentlich geplanten Trasse, um nicht auf einem durchweichten Wiesenweg laufen zu müssen. Bevor es in den Wald geht, hat man hier auch wieder eine schöne Aussicht (an normalen Tagen jedenfalls). Die folgenden Waldwege bis zum Kastell Zugmantel waren eher langweilige, relativ groß angelegte Forstwirtschaftswege. Erst kurz vor dem Kastell zweigt man links ab und folgt ca. 10-15 Minuten einem kleineren Waldpfad, der bis zum Kastell führt. Das Kastell Zugmantel war ein römisches Kleinkastell am Limes. Vor gut 40 Jahren wurde hier direkt an der Bundesstraße eine Rekonstruktion eines Wachtturmes gebaut, die -welch Überraschung- u.a. vom Naturpark betreut wird. Hier erwartet uns also bereits ein römischer Grenzposten in voller Montur, und da wir ja durch den finsteren, germanischen Spätfrühling wandern, gibt es im Innern des Turms Glühwein für uns! Definitv ein Highlight, auch ein Vorteil einer Vereinswanderung. Wenn man allein wandert, ist der Turm  geschlossen (nur während der Sommermonate jeweils am dritten Sonntag im Monat geöffnet) und niemand erwartet einen mit Glühwein. Hier also eine größere Pause zum Aufwärmen und Auftanken neuer Energien. Der Kollege, der hier als Grenzposten fungiert, ist Mitglied im Verein Zugmantel Cohorte und erzählt währenddessen etwas über den Turm.

Nach der Pause geht es noch ein Stück durch das Waldstück direkt am Kastell. Herr Wennemann bleibt mehrmals stehen und erläutert einige Sachen. Wo was war, wo man wohl was sehen könnte, etc. Man braucht meistens ziemlich viel Phantasie, um die von ihm beschriebenen Überreste im Wald erkennen zu können. Ein rechteckiges, großes Kastell soll das also gewesen sein, und anhand der Wälle am Wegesrand lassen sich dessen Abmessungen, Tore, Ecken, etc. erkennen. Naja... Auf Nachfrage von Herrn Sobek (Vorsitzender des Rhein-Taunus-Klubs), ob denn auch zur Erkennung der Bodendenkmäler mit Luftbildarchäologie gearbeitet werde, antwortet Herr Wennemann sinngemäß, es gäbe keine Luftbilder, niemand habe je etwas ausgegraben, aber man sei sich sicher, daß hier ein Bad, ein Wohngebäude oder dieses oder jenes war.

Es geht dann weiter in ein offenes Tal, in dem die Aar entspringt. Die Aarquelle ist nichts weiter sehenswertes. Aber für die Zertifizierung des Weges vielleicht doch noch ein kleines Highlight, an der Quelle eines kleinen Flüßchens vorbeizukommen. Hier beginnt übrigens auch der Aar-Höhenweg, der von hier bis zur Mündung in die Lahn in Diez führt. Unterhalb vom Waffel Löser, zwischen Orlen und Neuhof, wird die Bundesstraße schließlich auf einer Fußgängerbrücke überquert und es geht über Feldwirtschaftswege. Man hat zwar von hier einen ganz schönen Blick über das Untere Aartal mit den Taunussteiner Stadtteilen Neuhof, Wehen, Hahn und Bleidenstadt. Letztendlich ist der Weg aber zu breit und der Abschnitt über so einen Wirtschaftsweg für mein Empfinden zu lang. Es war auf diesem Stück, daß wir die mitgebrachte Pulle Rotwein aufgemacht haben.

Kurz bevor man den Halberg erreicht, das ehemalige Stadion des SV Wehen (Wiesbaden), geht es links hinunter. Durch die Rapsfelder hindurch (die ja gerade in gelber Blüte standen), zwischen zwei riesigen Strommasten unter den Leitungen hindurch, bis man auf der B275 landet, dort ein ganz kurzes Stück an der Straße läuft und dann die Aar überquert. Das war für mich eine eher unglückliche Streckenführung. Das blühende Rapsfeld war ja ganz nett, es blüht aber nur ein paar Wochen im Jahr so schön. Im Winter ist es ein brachliegender Acker und später im Sommer steht es wahrscheinlich so hoch, daß man den Weg da durch kaum noch findet. Dann die Stromleitungen und die Straße... Die B275 war an diesem verregneten Sonntag quasi leer, aber an normalen Tagen (auch an schöneren Wochenendtagen, Stichwort Motorräder) ist dies schon eine viel befahrene Bundesstraße, die hier ohne Ampel, Zebrastreifen, etc. in einer Kurve (!) überquert wird. Dürfte bei der Zertifizierung für Minuspunkte sorgen.

Über einen asphaltierten Rad- und Fußweg geht es dann hinein nach Wehen. Hier verabschieden sich die ersten und suchen die nächste Bushaltestelle auf. Es wird beschlossen, die Wanderung aufgrund des Wetters heute nicht bis zum geplanten Ziel in Wiesbaden zu führen, sondern nun nur noch den Taunushauptkamm bis zur Platte zu gehen und es dort gut sein zu lassen. Auf dem Weg dorthin gäbe es auch noch ein spannendes Kastell! Wehen wird also durch den Ort überquert. Am Waldrand wird ein beträchtlicher Umweg eingelegt, um dann zum Kastell Heidekringen zu gelangen. Es geht also ein gutes Stück durch den Wald bergan, um dann wieder vor einem ehemaligen, kaum auszumachenden Kastell zu stehen, das wohl noch nicht mal von den Römern fertiggestellt wurde. Mehr zur Geschichte des Kastells gibt es auch hier.

Dann nochmal im wieder stärker gewordenen Regen auf zum Endspurt. Vorbei an der Fürstenwiese geht es hoch zur Platte. Es wird ein kurzes Fazit gezogen, sich bedankt und verabschiedet. Dann teilt sich die Gruppe auf. Die eine Hälfte geht in das Café, die andere wartet noch eine halbe Stunde unter der Brücke auf den Bus nach Wiesbaden. Wir entscheiden uns für letzteres, um endlich aus den komplett durchgenäßten Klamotten rauszukommen.

Fazit: es wird allerhöchste Zeit, daß es in unserer Region auch ein oder zwei zertifizierte Premiumwege mehr gibt. Ein Blick zum Deutschen Wanderinstitut, das diese Wege bewertet und das Siegel vergibt (oder eben auch nicht) zeigt, daß es in Hessen in der Mitte und im Norden bereits einige schöne und erfolgreich zertifizierte Wege gibt. Nur die Mittelgebirgsregionen im südlichen Drittel Hessens -Taunus, Odenwald, Spessart- sind bis auf eine kleine Ausnahme (Wispertalsteig), noch gar nicht vertreten. Der Weg hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen, die negativen Ausnahmen habe ich ja bereits beschrieben. Bei den römischen Hinterlassenschaften muß man tatsächlich viel guten Willen mitbringen, denn vieles bleibt wirklich der Phantasie überlassen. Auf dem (von uns ausgelassenen) Rest der Strecke von der Platte hinunter nach Wiesbaden geht es wohl noch an den Überresten einer Villa Rustica vorbei und die Wanderung endet schließlich an den heißen Quellen des Kochbrunnens.

Ich bin gespannt, ob und wann die Zertifizierung gelingt. Ich werde darüber berichten.

Ein Bericht über die Wanderung vom Naturpark findet sich auch hier.


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